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Die St. Remigius-KircheDie jetzige Kirche besaß einen Vorgängerbau in der Alten Kirchgasse in geringer Entfernung zum Fronhof. Eine kolorierte Zeichnung vom Anfang des 19. Jahrhunderts im Pfarrbüro zeigt den Grundriß mit Eingängen, die Einfriedung, die Lage der Gräber und die Kirchenausstattung. Vier Arkaden tragende Stützen teilten den unregelmäßigen, jedoch einem Quadrat angenäherten Grundriß in drei kurze Schiffe. Die Sakristei verkürzte im Osten das südliche Schiff um ein Joch, der Vorraum das nördliche im Westen ebenfalls um ein Joch. Zwischen den Pfeilern im Osten befanden sich Schranken, die den Bereich um den Hauptaltar abschirmten. In der linken Ecke stand der Marienaltar, in der rechten Ecke der Mathiasaltar. Das Dach trug einen Dachreiter, in dem zwei Glocken hingen. Rosellen berichtet, daß der Bau »aus Traß- und behauenem Sandstein« errichtet war. Im 15. Jahrhundert dürfte die Kirche mit Sicherheit bereits bestanden haben. Eine Urkunde von 1774 überliefert das Datum einer Altarweihe im Jahre 1484. Möglicherweise bestand der Bau bereits im 12. Jahrhundert.

Ein Neubau wurde durch die Stiftung des Ehepaares Breuer ermöglicht. Peter Andreas Breuer (1757 - 1841) war Hofgerichtsassessor am erzbischöflichen Gerichtshof und Professor an der Universität. 1825 heiratete er 68jährig in zweiter Ehe die dreißig Jahre jüngere Maria Anna Juliana von Haupt (1787 - 1861). Im gleichen Jahr veranlaßten sie die Vorbereitungen für den Neubau der Kirche. Ziegel wurden gebrannt und Bauholz beschafft. Die Grundsteinlegung fand am 28. Mai 1828 statt. Zwei Jahre später, am 25. Juli 1830, war der Neubau vollendet.

Die Breuers setzten durch, daß die neue Kirche nicht an die Stelle der alten, sondern in der Nähe des Mönchhofes errichtet wurde. Der Bezug zwischen dem Kirchenbau und dem Gutsbesitz der Stifter sollte klar zum Ausdruck kommen. Die Kirche wurde deshalb parallel zum alten Herrenhaus errichtet. Ein Weg sollte Kirchenbau und Herrenhaus verbinden. Durch die den Weg säumenden Kopflinden war die Verbindung zwischen beiden Bauten auch aus großer Entfernung nachvollziehbar. Außerdem wurde die Kirche wie das Herrenhaus mit den anschließenden Wirtschaftsgebäuden aus Backstein errichtet. Schließlich erscheint es wahrscheinlich, daß der nachträglich an das Herrenhaus angebaute Turm eine spiegelbildliche Ergänzung zum Turm der Kirche bilden sollte. Johann Josef Baudewin (um 1797 - 1864) lieferte die Pläne. Der Zimmermeister war damals kein unbekannter Mann. 1822 bis 1830 hatte er die Holzgewölbe in der Apostelnkirche in Köln nach Plänen des Stadtbaumeisters Johann Peter Weyer (1794 - 1864) ausgeführt und 1823 bis 1824 die Balkendecke im Festsaal des Gürzenich gezimmert. Auch an der Remigiuskirche sollten die Zimmerarbeiten eine wesentliche Rolle spielen. Gewölbe, Gesimse, Dachstuhl und Turmlaterne bestehen aus Holzkonstuktionen. Baudewin plante in Anlehnung an den traditionellen Bautyp eine dreischiffige Basilika. In der Breite des Mittelschiffs schloß er einen Chorraum an. Im Osten setzte er an diesen einen Turm auf quadratischem Grundriß. Das Mittelschiff erweiterte er nach Westen über die Abschlußmauer hinaus um den Vorraum und seitliche Nebenräume, in dessen südlichen er die Treppe zur Empore unterbrachte.

Der Architekt entlehnte die Einzelformen mehreren Epochen der Architektur. Die dorischen Säulen mit kanneliertem Hals wirken wie Spolien aus einem griechischen Tempel. Am Außenbau finden sich hölzerne Gebälke und Gesimse mit Zahnschnitt nach antikem Vorbild. Die der griechisch- römischen Architektur entlehnten Bauformen kobinierte er mit gotischen. Hierzu gehören die Kreuzrippengewölbe im Mittelschiff, die Kreuzgratgewölbe in den Seitenschiffen und die spitzbogigen Fenster im Obergaden. Die Rundfenster, die flachen Wandvorlagen mit Scheidbögen an den Außenmauern der Seitenschiffe, die Staffelung der Westfassade, die mit einem korbbogigen Giebel bekrönte Ädikula um das Hauptportal, die geschweifte Haube mit Laterne auf dem Turm und die Konstruktion der Gewölbe als Folge von Kuppeln mit Stichkappen kamen in der vergangenen Epoche des Barock in der Architektur häufig vor.

Die Stifter erwarben für die Ausstattung Mobiliar aus der 1828/29 abgebrochenen Seminarkirche St. Johann Evangelist. Nach dem Brand von 1743 war die Hauskapelle des Kölner Erzbischofs 1744 bis 1747 neu erbaut und ausgestattet worden. In der Säkularisation wurde dieser an der Südseite des Kölner Domes gelegene Sakralbau zunächst als Pfarrkirche aufgehoben und im Zuge der Freilegung des Domes abgebrochen. Das wichtigste Stück der Ausstattung war der Bischofsstuhl. Er ging in den Besitz des Kaufmanns, Malers, Kunstsammlers und ersten Konservators des Kölner Museums Wallrafianum, Matthias Joseph de Noël (1782 - 1849), über, der nach dem Tode Breuers dessen Frau heiratete. Altäre, Kanzel, Kommunionbank und Beichtstühle gelangten nach Sürth. Der Vergleich der Grundfläche von St. Remigius und St. Johann Evangelist macht wahrscheinlich, daß bei der Planung diese Stücke berücksichtigt wurden. Baudewin sah für die Beichtstühle passende Nischen in seinem Neubau vor. Dem Eingangsportal gab er die Breite des dafür vorgesehenen Windfangs. Selbst bei der Breite des Mittelschiffs scheint Baudewin die Ausmaße der Sitzbänke und der Kommunionbank berücksichtigt zu haben.

Leider wurden einige Ausstattungsstücke später ersetzt oder an anderer Stelle aufgestellt, so daß der Zusammenhang von Architektur und Ausstattung heute kaum noch nachvollziehbar ist. Die ehemals marmorierte Kanzel und die Beichtstühle stehen jedoch am urpsrünglichen Ort. Sie bilden einen Stilkontrast zur Architektur. An der von scharfen, geradlinigen Umrissen bestimmten mittleren Säule der Südseite hängt die Kanzel. Sie zeigt schwellende, wuchtige Formen. Aufgerollte Bänder betonen die Ecken, um die oben und unten Gesimse verkröft sind. Die Kartusche auf der Vorderseite trug sicher ein Wappen oder ein Monogramm. Die Baldachinunterseite zeigt das Symbol des Hl. Geistes in Gestalt einer Taube im Strahlenkranz. Die in den Nischen des dritten Jochs von Westen eingestellten Beichtstühle greifen die Gestaltung der dreiteiligen, in der Mitte vorspringenden Barockfassade der Kirche St. Johann Evangelist auf. Die überlebensgroße Triumpfkreuzgruppe vom ehemaligen Hochaltar hat seit 1901 unter der Orgelempore einen neuen Aufstellungsort gefunden. Der unbekannte Bildhauer gestaltete Maria und Johannes als breitangelegte Figuren mit dichter, wuchtiger Faltengebung. Wulstig vortretende Muskeln gliedern den Körper des Gekreuzigten.

Die Herkunft des barocken Vortragekreuzes und der silbervergoldeten Madonnenfigur im Chorraum ist nicht geklärt. Die Immaculata steht in der Tradition der Patrona Bavariae von Hubert Gerhard in München. Da im 17. und 18. Jahrhundert die Kölner Erzbischöfe aus der bayrischen Herrscherfamilie Wittelsbach hervorgingen, ist es nicht verwunderlich, daß diese Figur im Rheinland eine große Nachfolge hatte. Gewanddraperien und Frisur sprechen für eine Entstehung um 1720. Etwa um die gleiche Zeit entstanden die Figuren des Kirchenpatrons im nördlichen Seitenschiff und der Kruzifixus in der Sakristei.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde die Ausstattung in Anlehnung an den Stil der vorhandenen Stücke ergänzt. Die barocke Orgel aus St. Johann Evangelist entsprach offenbar nicht den Wünschen der Stifter. 1854 bestellte Maria Anna von Haupt, seit 1849 Witwa de Noël, bei dem Orgelbauer Sonreck eine neue. Der Bildhauer Christoph Stephan (1797 - 1864) folgte bei der Gestaltung des Prospektes dem barocken Typus. Die in sich symmetrischen, durchbrochenen Ornamente entsprechen jedoch dem Neubarock, wie er in Frankreich zur Zeit des Bürgerkönigs Louis Philipp (regierte 1830 - 1848) in Mode war. Das Wappen unter der mittleren Pfeifengruppe verweist auf die Stifter. Das Werk wurde 1955 von der Firma Seifert in Bergisch Gladbach ausgetauscht, 1971 und 1987 renoviert. Von der 1863 durchgeführten Ausmalung Fierlings und der Neufassung der Ausstattung 1874 ist nichts erhalten. Auch die Turmuhr von 1878 ist verloren. Der neugotische Taufstein der Gebrüder Heinrich Josef und Johann Bong von 1869 dient als Blumenkübel, der Deckel steht im Archivraum.

1901 erweiterte der Diözesenbaumeister Heirich Renard (1868 - 1928) die Kirche durch den Anbau von zwei Sakristeien; im Inneren gestaltete er sie historisiered um. Frühchristliche Sanktuarien dienten dabei als Vorbild. Das Altarziborium und der farbige Marmorboden haben z. B. in der Kirche San Clemente in Rom ihre Vorbilder. Motive auf frühchristlichen Sarkophagen, Schrankenplatten (wie z. B. in der Kirche Sant Apollinare Nuovo in Ravenna) und Elfenbeinarbeiten (Kathedra des Maximian im Erzbischöflichen Museum in Ravenna) dienten Ferdinand Hachenberg aus Köln-Mülheim für die unter der Empore aufbewahrte Kommunionbank aus Holz als Anregung. Der gleiche Bildhauer schnitzte Figuren für das Altarziborium (Christus mit aufgeschlagener Bibel und zwei Engel) und für die Seitenaltäre (Muttergottes und Herz Jesu). Die zum Teil farbig gefaßten Holzplastiken waren in Anlehnung an den Stil des 13. Jahrhunderts gestaltet. Sie werden heute im Archivraum des Turmes aufbewahrt. Damals entstand sicher auch die Pieta von Heinrich Schmitz aus Köln an der Westfassade.

Zu den vielen Maßnahmen zwischen den beiden Weltkriegen gehörten das Kriegerdenkmal von Otto Neuhaus, Köln (1922), die Neuausmalung von Peter Koep, Köln (1929), und die Verglasung von Carl Jörres, Bonn (1929). Von den zahlreichen Ausstattungsstücken sind lediglich das Missionskreuz (1929) und drei Firugen von Hermann Paul Simon, Köln, im gemäßigt expressionistischen Stil erhalten. Zwei davon, der hl. Josef und die hl. Elisabeth, stehen an der südlichen Seitenschiffwand. Die dritte, der hl. Aloysius, liegt im Archivraum.

Heute prägen die Renovierungen der 50er und frühen 70er Jahre den Innenraum wesentlich mit. Die Bemalung und Teile der Ausstattung wurden entfernt bzw. ersetzt. 1954 erhielten die Fenster eine neue Verglasung mit Blütenkränzen in Grau, Gelb und Rot von H. Mettmann. 1957 ging das barocke Gestühl durch Verkauf an eine Gemeinde in der Eifel für Sürth verloren. 1970 bis 1972 wurde der Fußboden in Travertin und Basalt erneuert, der Innenraum in Weiß, Schwarz-, Rot- und Grautönen gefaßt und das Gestühl durch einen dunkleren Anstrich der übrigen Innenausstattung angepaßt. Im Zusammenhang mit der Neugestaltung schuf der in Sürth ansässige Bildhauer Theo Heiermann eine Altarmensa (1971), den Tabernakel (1972), den Ambo (1980) und das Weihwasserbecken mit der Arche Noah unter der Empore. Eine von den zahllosen Kopien des nazarenischen Kreuzweges von Josef Ritter von Führich für St. Lorenz in Prag und für die Altlerchenfelder Kirche in Wien (1844 - 1846) soll den Kreuzweg von Wilhelm Schmitz- Steinkrüger (1955) ersetzen. Die zum Teil aus der alten Kirche übernommenen Glocken wurden in den beiden Weltkriegen eingeschmolzen, die 1954 neu gegossenen bilden den Akkord f-g-b-c.

Quelle: Stadtspuren, Köln: Dörfer im linksrheinischen Süden, ISBN 3-7616-1004-1